Über der Straße von Gibraltar werde ich von Sevilla Approach aufgefordert zu Tangier Approach zu wechseln. Vorsorglich habe ich mir alle Einfluggenehmigungsnummern aufgeschrieben. Für den Fall, dass ich diese über Funk angeben muss. Ich melde mich bei Tangier und werde von einer freundlichen Damenstimme begrüßt. Sie sagt mir, wann ich mich wieder melden soll. Völlig unspektakulär erreichen wir das afrikanische Festland.
K. und ich klatschen uns ab. Wir haben es geschafft! Die Anspannung ist schlagartig weg. Völlig ruhig gleiten wir über die marokkanische Landschaft. Diese ist zuerst grün und fruchtbar. Je weiter wir in das Landesinnere kommen, desto karger wird sie. Von Grün ist nicht mehr viel zu sehen. Braun ist die dominierende Farbe. Ein Fluss mäandert durch das Tal. Am Flusslauf sind kleine Städte und bewirtschaftete Felder zu sehen. Abseits des Flusses staunen wir über die Vielzahl unterschiedlicher Erdtöne.
Nachdem wir Tangier Approach nicht mehr hören, versuche ich, Casa control zu erreichen. Allerdings vergeblich. Ich probiere es dreimal, dann gebe ich auf. Ich kenne dies von unserem Tragschrauberflug durch Marokko. In weiten Teilen des Landes gibt es keinen Funkkontakt. Zudem hat mich die Lotsin von Tanger mit folgenden Worten von ihrer Frequenz verabschiedet: „Try to get contact to casa control, if not possible next contact Fes Approach“. Dort melde ich mich nun. Die schnelle Gruppe von Robert ist im Anflug, ansonsten ist am Flugplatz nichts los. Fes Approach verlangt sowohl von Robert als auch von mir alle Kennungen in der Reihenfolge der Landung. Es soll sich jeder einzeln beim Anflug melden. Dies führt zu ein paar Verwirrungen auf beiden Seiten. Die Kontrollerin verwechselt die Kennungen, der ein und andere Pilot, der nicht auf Funken eingestellt ist, hat nicht gleich die richtige Sprechgruppe parat. Trotz diesen kurzzeitigen „Verwirrungen“ sind alle Maschinen sicher am Boden. Ich vermerke in meiner persönlichen „Lessons learned“ Liste, dass ich mich darauf einstellen muss nicht als Formation zu landen. Ich werde vor dem nächsten Start nochmals die englischen Sprechgruppen für einen Anflug auf einem kontrollierten Platz mit meiner Gruppe durchgehen.
Es kommen gleich einige Uniformierte auf uns zu und verlangen die Reisepässe. Es geht relativ schnell. Ich habe die Passprozedur langwieriger in Erinnerung. Während der letzte Ausweis angeschaut wird, kommt schon der Tankwagen um die Ecke gefahren. Ein großer Tankwagen, mit einem ganz kleinen Anhänger. Der Anhänger ist für uns. Per Handpumpe werden alle Maschinen betankt. Dies dauert nun doch ganz schön lange. Vor allem stehen wir auf dem Vorfeld bei 36 Grad im Schatten. Ich möchte nicht wissen, wie heiß es in der Sonne ist. Hochdecker sind hier klar im Vorteil. Man kann sich gemütlich in den Schatten unter dem Flügel setzen.
Was die Schnelligkeit der Ausweiskontrolle angeht, habe ich mich zu früh gefreut. Im Flugplanbüro wird jedes Flugzeugdokument kopiert. Dies zieht sich ewig hin. Als endlich das letzte Papier dupliziert, gestempelt und abgeheftet ist, wandern wir zum Terminal. Manch einer würde auf unserer Wanderung Brotzeit machen, so lange ist der Weg. Bei der Ankunft füllen wir die obligatorischen Landekarten aus. Der Pass wird nochmals, inzwischen zum dritten Mal, kontrolliert – und kontrolliert und kontrolliert. Ich weiß nicht, was da so lange dauert. Auf jeden Fall müssen wir eine gefühlte Ewigkeit warten, bis die Pässe zurückgebracht werden und wir endlich marokkanischen Boden, außerhalb des Flughafens, betreten können.
Zwei Taxen bringen uns in die Medina. Genau gesagt bringen sie uns an einen der Eingänge zur Medina. Dort werden wir von dem Geschäftsführer unseres Riads (http://www.au20jasmins.com) empfangen. Das Gepäck wird auf einen Handwagen umgeladen und wir verschwinden in den engen Gassen der Medina. Die Riads sehen von außen unscheinbar aus. Innen eröffnet sich tausendundeine Nacht. Der Name Riad ist von dem arabischen Wort für Garten abgeleitet. Die Zimmer gruppieren sich um einen Innenhof, der früher offen war. Die Hotelriads haben fast alle Glasschiebedächer, sodass man auch bei Regen trocken bleibt und den „Garten“ – den Innenhof – genießen kann.
Kaum angekommen, schon geht es weiter. Unser Guide wartet auf uns. Die Medina von Fes ist ein für außenstehende undurchsichtiges Labyrinth an Gassen und Gässchen. Die Hauptaufgabe des Führers ist darauf zu achten, dass sich niemand verläuft und um zu verhindern, dass die Gruppe ständig angehauen wird. Jeder der uns etwas „aktiv“ verkaufen will, wird von ihm böse angeschaut. So können wir ziemlich unbelästigt durch die Gässchen schlendern. Da unser letztes Essen das Frühstück war und es inzwischen 16 Uhr marokkanischen Zeit, was 17 Uhr spanischer Zeit entspricht, hängt der Magen weit unterhalb der Knie. Unser erster Stopp ist deshalb an einem Stand, um Fleischsemmel zu kaufen. Nicht alle trauen der marokkanischen Straßenküche, der ein und andere begnügt sich mit Semmel pur. Auf unserer Besichtigungstour werden wir selbstverständlich auch zu einer Teppichshow und in ein Ledergeschäft geführt. Dies gehört einfach dazu. Die Verkäufer sind aber relativ unaufdringlich, sodass ich es nicht schlimm finde. Es ist eine ganz andere Welt als bei uns. Ich war zwar schon mal hier, muss mich aber auch erst wieder eingewöhnen. Ich habe, bevor wir auf Tour gingen, den Betreiber unserer Riads gefragt, was passiert, wenn es in der Medina brennt. Er hat mir das interessante System, das hauptsächlich mit „First Responder“, den freiwilligen Helfern vor Ort arbeitet, erklärt. Ein Satz von ihm ist höchst interessant. „Du darfst nicht die westeuropäische Vorstellung von Sicherheit als Maßstab nehmen. Ein Marokkaner macht sich normalerweise nicht so viel Gedanken um Sicherheit und Absicherung. Wir leben hier nach dem Motto ‚wird schon gut gehen’“. Ich finde, man darf in Marokko, genauso wie in jedem anderen Land der Welt, generell keine deutschen Maßstäbe ansetzen. Einfach so nehmen wie es kommt und sich freuen, dass es anders ist als zu Hause. Dies ist die richtige Einstellung. Nicht jeder schafft das. Vor allem nicht, wenn es um Bier geht. Ein Teilnehmer benötigt jetzt unbedingt Bier. Wir sind mitten in der Medina in einem muslimischen Land. In Marokko wird der Umgang mit Alkohol zwar ziemlich liberal gehandhabt, aber unserem Guide fällt beim besten Willen nicht ein, wo er in der Medina Bier herbekommen soll. Die Verzweiflung bei unserem Bierliebhaber wird immer größer, ebenso, die bei dem Guide über unsere Gruppe. Er ruft seine Frau an und bittet sie in die Neustadt zu fahren, dort Bier zu kaufen und dieses in unser Riad zu bringen. Dies ist dann doch nicht nötig, da es im Riad Bier gibt. Im Innenhof unserer Unterkunft klingt unser erster Abend in Afrika mit einem marokkanischen Menü und Dosenbier aus.
Die Kontrolle am Flughafen geht schnell. Kaum haben wir die Landekarten, die auch als „Startkarten“ verwendet werden ausgefüllt, stehen wir schon auf dem Vorfeld. Ich gehe zum Flugplanbüro, um unseren Flugplan nach Marrakech aufzugeben und um zu bezahlen. Die anderen bereiten die Maschinen vor. Als erstes erklärt mir der freundliche Herr, dass wir wahrscheinlich nicht nach Marrakech fliegen können, da der Luftraum gesperrt ist. „There is a special flight“, sind seine Worte. Auf meine Frage, ob das der König ist, antwortet er „something like that, but maybe he change his mind“. „Na hoffentlich“ denke ich und schaue ihm dabei zu, wie er hektisch mit allen möglichen Leuten auf Arabisch telefoniert. Ich bin schon wieder dabei einen Plan B zu entwickeln. Mindestens so hektisch wie er suche ich nach meiner Unterkunftsliste in Essaouira. Still spreche ich mein Mantra „setze keine deutschen Maßstäbe an“ vor mich hin. Ich bin gerade dabei eine „Rundmail“ mit der Frage, „wer hat freie Kapazität“ zu verfassen. Da kommt der erlösende Anruf. Die wichtige Person hat ihre Meinung geändert. Der Luftraum über Marrakech ist wieder frei. Trotzdem benötige ich weiterhin mein Mantra. Ich habe noch nie jemanden erlebt, der so lange für das Ausstellen von acht Rechnungen benötigt. Ich habe das Gefühl, dass er sich bei jeder neuen Rechnung wieder einlernen muss. Es geht um die Summe von umgerechnet 7 € pro Maschine. Ich versuche, ihn davon zu überzeugen, dass ich keine Rechnungen benötige und ihm das Geld einfach so gebe. Er kann dann in Ruhe, wenn er Zeit hat, die Rechnungen erstellen. Das Einzige was ich mit dem Vorschlag erreiche ist, dass es noch länger dauert. Er ist wirklich nett und sehr bemüht und erklärt mir deshalb in aller Ausführlichkeit, dass es doch besser ist, wenn ich die Rechnungen habe, außerdem ist er gleich fertig. Gleich ist relativ. Zu diesem Zeitpunkt war er bei Rechnung Nummer 3 von 8. Irgendwann war dann auch die Nummer acht erstellt und bezahlt. Für mich ist die lange Wartezeit noch am angenehmsten. Das Büro ist klimatisiert. Der Rest der Gruppe brät auf dem Vorfeld.
Aufgrund des Wetters, es türmen sich die Cumulunimbuse über dem mittleren Atlas, führt unsere Route zuerst Richtung Küste. Die erste Gruppe startet und macht nach dem Start eine Rechtskurve, weg von Fes. Ich wundere mich, da Robert für seine Gruppe immer die beste Sightseeingroute ausarbeitet. Dies ist ein genereller Unterschied zwischen Roberts und meiner Routenplanung. Er packt, so viel Sehenswürdigkeiten wie nur möglich, in seine Routen. Meine Routen berücksichtigen nur, am Ziel zu sein bevor der Sprit aus ist. Heute haben aber wir Langsamen eindeutig die bessere Aussicht. Ich bitte nach dem Start um eine Linkskurve, die es uns erlaubt Fes von oben anzuschauen.
Meknes und Khemisset sehen für mein europäisches Auge aus der Luft wie Städte aus. Dies ändert sich schnell. Häuser und Landschaft verschmelzen immer mehr. Die Häuser haben die gleiche Lehmfarbe wie der Boden. Ich muss genau hinschauen, um die Dörfer zu erkennen. Nach guten drei Stunden kurzweiligem Flug kommt Marrakech in Sicht. 3.100 m Landebahn liegen vor uns. Der Heimatplatz von K., meinem Piloten, hat ganze 400 m. Jahrzehntelanges Fliegen auf einem Platz, bei dem man auf der Schwelle landen muss, ansonsten steht man im Acker, hinterlassen Spuren. Wir sitzen exakt auf der Schwelle und müssen ca. 2 km bis zum Abrollweg rollen. Die Nummer 2 unserer Formation hat keine Chance. Er muss durchstarten und dreht noch eine Ehrenrunde.
An der Abstellfläche angekommen sehe ich, dass alle „Schäfchen“ wieder vereint sind. Die 4 Flieger, die von Granada nach Marokko geflogen sind, stehen verzurrt da und Roberts Gruppe ist am Tanken. Es dauert, bis auch wir fertig sind. Dies liegt aber nicht an der Langsamkeit des Tankwarts, sondern daran, dass es einfach Zeit brauch 8 Maschinen mit Sprit zu versorgen und abzukassieren. Wegen der Bezahlung gibt es ein hin und her. Zuerst sagt der Tankwagenfahrer, dass mit Dirham, Euro oder US Dollar bezahlt werden kann. Dann wird er plötzlich bockig und will nur noch Dirham. Dann nimmt er doch wieder Euro. Bei so etwas stehe ich freundlich lächelnd daneben und gebe ihm das, was er gerade haben möchte. Diskutieren kostet nur Nerven und bringt nichts. Immerhin verabschiedet er sich freundlich und nimmt sogar zwei aus Roberts Gruppe in seinem Tankwagen mit zum Flugplanbüro.
Wir kommen verhältnismäßig schnell durch den Zoll, die Grenzpolizei oder wer auch immer zwischen uns und dem Ausgang steht. A. hat es geschafft, einen „Nichtuniformierten“, das sind die Wichtigen, davon zu überzeugen, dass wir uns nicht in die Schlange stellen, sondern zu ihm ins Büro kommen. Überraschend schnell stehen wir vor dem Flughafen und steigen in das Taxi. Wir fahren in die Kasbah zu Hans. Hans stammt aus dem oberbayrischen Nachbarort von Robert und mir und ist der Liebe wegen vor vielen Jahren in Marrakech hängen geblieben. Hier betreibt er mit seiner Frau Saba zwei Riads (http://www.riadsaba.com/de/ http://www.riad-johenna.com). Für unseren ursprünglichen Ankunftstag haben die beiden das Riad Saba und das Nachbarriad für uns freigehalten. Da wir vier Tage überfällig sind und das Saba inzwischen voll ist, hat Hans seine ganzen Riadbesitzer-Kollegen aktiviert. Wir sind nun auf 5 Unterkünfte verteilt. Außer den drei, die im Johenna in der Medina wohnen sind wir alle in der Kasbah untergebracht.
Hans empfiehlt uns ein Lokal. „Ist zwar ein Touristenlokal, aber sie haben ganz gute Küche und vor allem Platz für alle“. Mit allen drei Punkten hat er recht, was er allerdings verschwiegen hat ist, dass die ganze Zeit eine marokkanische 2 Mann Band ohrenbetäubende Musik macht. Ein optimales Restaurant für Paare, die sich nichts mehr zu sagen haben. Zuerst versuche ich, mich zu unterhalten, gebe dies aber schnell wieder auf. Bin leider nicht gut im Lippenlesen. Dafür probiere ich die „Hundetechnik“. Ich habe gelesen, dass Hunde selektiv Geräusche ausblenden können und nur das hören, was sie hören wollen. Meine Hunde konnten bei dem größten Lärm schlafen, sobald aber ein Papier, in dem Futter sein könnte, geraschelt hat, standen sie bereit. Ich konzentriere mich voll darauf, die Musik nicht zu hören. Leider funktioniert es bei mir nicht. Langsam macht mich der Krach aggressiv. Inzwischen haben alle gegessen und die meisten werden langsam müde, sodass wir, bevor ich anfange, die Musiker zu schlagen, aufbrechen. Beim anschließenden Spaziergang durch das nächtliche Marrakech können sich meine Ohren wieder etwas erholen.
Dass wir alle verstreut wohnen, kann als Vor- oder Nachteil aufgefasst werden. Vorteil ist, dass sich alle mal voneinander erholen können. Nachteil ist, dass etwas fehlt. Inzwischen haben wir uns so aneinander gewöhnt, dass es fast einsam ist, wenn nicht alle um einen herum sind. Der heutige Tag ist frei. Robert und ich genießen den Morgen auf der Dachterrasse unseres Riads zusammen mit dem Pilotenpaar A. und M.. Ich könnte ewig hier sitzen. Ein schönes Frühstück, die Sonne auf der Nase, nette Unterhaltung und kein Lärm. Die musikalische Darbietung von gestern Abend hat mich die halbe Nacht in meinen Träumen verfolgt.
Robert und ich ziehen uns auf unsere eigene Veranda, die zu unserem Zimmer gehört, zurück. Wir müssen für die nächsten Tage planen. Gerne würden wir noch ein oder zwei Nächte in Marokko bleiben und dann in zwei „Vielflugtagen“ nach Hause fliegen. Leider bleibt es bei „würden wir gerne“, da der Wind wieder zunimmt. Für Morgen sind perfekte Flugbedingungen vorhergesagt, dann wird es schon wieder kritisch. Schade – aber so ist es nun mal beim UL fliegen. Wir sind keine Allwetterflieger, aber genau das macht ja den Reiz aus. Per „RundSMS“ laden wir zum Treffen am Abend in das Café Argana. Genau in dieses Touristencafé, in dem beim Anschlag am 28.04.2011 17 Menschen ums Leben kamen. Dies ist mir in diesem Moment aber nicht bewusst. Erst als wir am Eingang durch Metalldetektoren gehen müssen, erinnere ich mich daran. Es führt mir vor Augen, wie nahe Freud und Leid beieinander liegen. Ich mache mir wieder bewusst, dass man sich viel mehr Freuen soll. Freuen, dass ich so privilegiert bin einfach mal schnell nach Marokko zu fliegen, freuen, dass ich gesund bin, freuen, weil ich weiß, dass ich auch morgen Geld habe, um Essen zu kaufen. Ich will mich nicht mehr über Nichtigkeiten ärgern. Daran denke ich, als Robert verkündet, dass wir schon morgen den Heimflug antreten müssen. Alle arrangieren sich damit, dass es, außer für die „Ausreißer“ nur ein kurzer Aufenthalt in Marokko ist. Fast jeder hat sich bereits selbst das Wetter angeschaut und kam wahrscheinlich zu der gleichen Erkenntniss wie wir.
Da wir den ganzen Nachmittag organisiert und geplant haben, ist Marrakech leider ziemlich an uns vorübergegangen. Deshalb gönnen wir uns jetzt das, was Marrakech, zumindest für die Touristen, ausmacht. Den Dejeema el fna, den Gauklerplatz, mit all seinen Garküchen und Gauklern. Wohl wissend, dass wir vermutlich über den Tisch gezogen werden, setzen wir uns zu einigen anderen aus der Gruppe. Soweit ich es beurteilen kann, gibt es in den Garküchen vier Arten von Essen. Tajine, Hammelkopf, so eine Art Muschelsuppe und Fleischspieße. Wir sitzen bei den Spießen. Auffallend ist, dass es mehr „Kundenanwerber“ als Köche gibt. Irgendwie gehört es dazu, sich hier mit sämtlichen Touristen der Stadt zu treffen, zu essen und dafür ein bisschen zu viel zu bezahlen.
Wir treffen uns am Flughafen. Jede „Wohngruppe“ kommt mit einem eigenen Taxi. Die Alleinflieger kümmern sich nicht darum, ob alle da sind, sie stürmen schon mal los. Bringt ihnen allerdings nichts, da sie an der Security hängen bleiben. Nachdem, nach langem warten, diese Hürde überwunden ist, kommt wieder die obligatorische Passkontrolle. Als die Hälfte kontrolliert ist und auf dem Weg zum Flugplanbüro fällt dem Beamten ein, dass wir in Marrakech die Ausreise machen müssen und nicht, wie geplant am Zwischenlandeort. Alle müssen wieder zurückkommen. Es dauert, bis jeder Pass begutachtet und gestempelt ist. Ich erinnere mich daran, dass ich mich nicht über Nichtigkeiten aufregen will. Wir sind in einem klimatisierten Raum, es gibt Stühle, eine Toilette und wir haben was zu trinken dabei. Also ist alles gut. Irgendwann wird er fertig sein und dann geht es weiter. So ist es auch. Leider stoppt es dann schon wieder im Flugplanbüro. Meine westliche Denkweise redet mir ein, dass wenn drei Leute für eine Arbeit da sind, die sonst nur eine Person macht, es dann 3x mal so schnell geht. Weit gefehlt. Der Herr in Fes war ein Blitz im Vergleich zu Marrakech. Ich merke ganz schnell, dass es mindestens 5x so lange dauert, wenn 3 Leute das gleiche machen, da sie die meiste Zeit damit beschäftigt sind sich gegenseitig vom Arbeiten abzuhalten. Aufgrund der Stimmlage und dem Geschrei der einen Dame erwarte ich, dass sie sich gleich alle an die Gurgel gehen. Da das nicht passiert, gehe ich jetzt davon aus, dass dies der normale Umgangston ist. Nach langer Zeit der Geduld sind die Flugpläne aufgegeben. Die schnelle Gruppe fliegt zum Tankstopp nach Tanger. Wir Langsamen haben Rabat geplant. Tanger ist außerhalb unserer Reichweite. Rabat meldet marginale Sicht und wir haben keine Reserven zum Ausweichen, falls dies so bleibt. Deshalb entscheiden wir uns für Fes.
In Marrakech ist die Bahn 10 in Betrieb. Allerdings nur für den landenden Verkehr und für den startenden IFR Verkehr. Sichtflieger dürfen nicht auf der 10, die Richtung Stadt geht, starten. So wie es scheint, ist der König oder ein Mitglied der Königsfamilie da. Zumindest steht eine Maschine, die wichtig ausschaut, auf dem Vorfeld und man darf sich ihr auf gar keinen Fall nähern. Heute wird es bestimmt keine Ausnahme geben. Wir warten geschlagene 1,5 Stunden am Rollhalt, bis wir endlich in der Luft sind. So kann man auch Sprit verbraten und vor allem werden wir selbst gebraten bei den Temperaturen. Geschlagene 5 Stunden nachdem wir am Flughafen eingetroffen sind, heben wir ab. Außer uns ist noch eine französische Fliegergruppe mit ca. 20 Echo-Maschinen unterwegs. Und zwar auf Gegenkurs. Die Franzosen fliegen auf genau der gleichen VFR Route nach Marrakech, auf der wir von dort wegfliegen. Eigentlich hatten wir ein anderes Routing in unserem Flugplan. Diesen hat die schreiende Dame vom Flugplanoffice aber gleich zerrissen. Warum weiß ich nicht. Unsere Gruppe hat keine Berührung mit den Franzosen. Wir halten uns nicht an die VFR Routen. Wir kürzen ab, wo es nur geht. Nach den 1,5 Stunden am Rollhalt sind mir die Routen egal. Mich interessiert nur, dass allen Maschinen der Sprit bis Fes reicht. Über Funk hören wir auf der Quasselfrequenz, dass die Gruppe von Robert einige Begegnungen mit den Franzosen hat. Normalerweise sucht die Gruppe immer W., den Katanapiloten. W. geht immer verloren. Wann immer wir die schnelle Gruppe hören, geht es darum, wo W. ist. Der Running Gag meiner Gruppe ist inzwischen „wo ist W.“. Heute ist es anders. Heute lautet die Frage: „Wo ist der nächste Franzose? Über uns, unter uns oder genau auf Kollisionskurs?“ Wirklich begreifen kann ich die marokkanische Routenplanung nicht. Halbkreisflughöhen scheinen auch nicht überall bekannt zu sein. Uns machen die Franzosen keine Sorgen, dafür der Sunset in Trebujena. Es wird verdammt eng. Wenn, in Fes alles schnell geht, können wir es noch schaffen. Aber wir müssen erst mal in Fes sein. Der Flug zieht sich wie Kaugummi. Trotz Abkürzungen sind wir 3 h 18 in der Luft.
Ich kann es kaum glauben, in Fes läuft alles wie am Schnürchen. Der Tanker mit dem Handpumpenanhänger steht bereit. Dem Beamten, der mal wieder die Ausweise sehen will, drücke ich meinen Pass in die Hand und verschwinde mit einem Herren vom Flugplanoffice im Selbigen. In zwei Minuten ist der Flugplan aufgegeben. Ich warte auf die Bezahlzeremonie. Dann traue ich kaum meinen Ohren. Er fragt mich, ob ich die Rechnungen brauche. „Nein, brauche ich nicht“ ist meine Antwort. Er rechnet 7 € x 4, was ca. 300 Dirham entspricht. Diese gebe ich ihm. Dann kommen doch noch alle möglichen Uniformierten und Nichtuniformierten, die Papiere sehen wollen. Er redet kurz auf Arabisch mit ihnen und sie verschwinden wieder. Dann fährt er mich zurück zu den anderen, die inzwischen eine unglaubliche Tanktaktik entwickelt haben. Einer hält die Zapfpistole in den Tank, einer pumpt, einer bezahlt. Der Tankwagenfahrer fährt, wenn eine Maschine voll ist, zur nächsten und weiter geht das Speedtanken. 30 Minuten nach Touchdown sind wir wieder startklar. Leider ist auch klar, dass wir es nicht mehr vor Sunset nach Trebujena schaffen. Was machen? Wir wägen ab. Möglichkeit 1 ist, dass wir nach Tanger oder Tetouan fliegen und dort übernachten. Dagegen spricht der Wind, der ab heute Nacht wieder sehr stark wird. Sowohl für Tanger als auch für Tetouan sind 30 Knoten Wind mit Böen von bis zu 60 Knoten angesagt. Da möchte ich heute Nacht keine Maschine im Freien stehen haben. Es bleibt nur Möglichkeit 2. Wir bleiben in Fes und hoffen, dass wir es morgen trotz Starkwind nach Spanien schaffen. Ansonsten müssen wir bis Samstag bleiben, denn erst da wird es besser. Heute ist Dienstag. Darüber machen wir uns dann morgen Gedanken, wenn es so weit ist. Jetzt benötigen wir erst mal ein Hotel. Dies ist mit einer kleinen Gruppe von 6 Personen überraschend einfach. Wir benötigen nur 5 Zimmer anstelle von 13 Zimmern. Wir möchten morgen früh starten, deshalb entscheiden wir uns für ein großes Touristenhotel in der Neustadt. Nicht schön aber praktisch. Mit einem klick habe ich gebucht und wir machen uns auf den Weg zur Passkontrolle. Dafür benötigt man einen Pass. Leider finde ich diesen nicht. Ich suche und suche und suche. Nachdem ich fertig bin, meine Tasche zu durchsuchen, macht A. damit weiter. Leider findet auch sie nichts. Das kann doch nicht sein. Ich habe ihn vorhin noch gehabt. K. und M. gehen den langen „Wanderweg“ zurück zum Flugzeug und stellen dieses komplett auf den Kopf. Auch ohne Erfolg. Ich schaue mir den Transitbereich an. Die Bänke sehen ganz gemütlich aus. Bevor ich mich dort wohnlich einrichte, gehe ich nochmals zum Flugplanoffice. Vielleicht habe ich ihn dort irgendwo hingelegt. Die Dame im Office durchsucht mit mir das ganze Büro. Wir finden nichts. Sie telefoniert und versucht rauszufinden, wer auf dem Vorfeld die Pässe kontrolliert hat. Vielleicht hat der Beamte ihn aus Versehen eingesteckt. In dem Moment bekomme ich eine SMS. Mein Pass ist da! Nicht der Beamte hat ihn, sondern K. hatte ihn in seiner Tasche. Wahrscheinlich hat der Beamte ihm beide Pässe, seinen und meinen, gegeben und er hat beide eingesteckt ohne zu merken, dass es zwei sind. In der Eile, in der wir vorhin waren, ist dies kein Wunder. Ich habe Glück. Ich muss nicht im Transitbereich bleiben und kann heute Nacht gemütlich im Hotelbett schlafen.
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