Mit 12 ULs nach Marokko – schaffen wir es nach Marokko?

Auf dem ruhigen und ereignislosen Flug beruhige ich mich wieder. Ich habe auch keine Zeit mehr mich aufzuregen, ich muss schließlich mein Büro öffnen. Maximal 1.000 Fuß über Grund zu fliegen hat den Vorteil, dass es besten Empfang gibt. Ich kann in Ruhe nach einer Unterkunft für unsere Gruppe suchen, während ich in der FK9 sicher zum Ziel geflogen werde. Pünktlich zur Landung bin ich fündig. Ein schönes Hotel (https://www.eurostarshotels.de Conquistator) in der Altstadt von Cordoba hat genügend Zimmer zu einem akzeptablen Preis. Da ich versuche, nicht nachtragend zu sein, schicken Robert und ich den „Marokkanern“ die Kontaktdaten der von uns in Fes organisierten Unterkunft, rufen dort an und organisieren den Transport für die Gruppe. Warum bloß sind wir immer so nett?

Den Flughafen Cordoba LEBA kann man zu den vielen spanischen Geisterflughäfen zählen. In jeder Region will der Lokalfürst seinen eigenen internationalen Flughafen haben. Dass dieser erfolgreich betrieben wird, klappt leider nur selten. In den Flughäfen werden Unsummen verbuddelt, für die der spanische Steuerzahler und jeder EU-Bürger aufkommen muss. Böse Zungen behaupten, dass es nicht das Ziel ist, einen funktionierenden Flughafen zu bauen, sondern, dass die beteiligten Bauunternehmen viel Geld verdienen. Wie es auch sei. Beim Thema Flughafenbau sollten wir Deutsche uns nicht so weit aus dem Fenster lehnen. Cordoba gibt es zumindest schon seit 1910. Seit 2014 allerdings ohne Airlinerverkehr. Dies kommt uns zugute. Es gibt mangels Flugverkehr keine Kontrollzone und wir können hier völlig entspannt landen und hoffentlich auch wieder starten. Leider dauert das Tanken ewig. Der Tankwart ist völlig überfordert. Als es an das Bezahlen geht, glaube ich einen Moment, dass ich die gesamte Tankstelle gekauft habe. Der Liter Avgas kostet bescheidene 4 €. Zum Glück brauchen wir nicht viel, da alle in Granada vollgetankt hatten. Die dortigen 3 € pro Liter sind geradezu ein Schnäppchen.

Nun geht es für Robert und mich an die weitere Organisation. Wir müssen nun über Trebujena LETJ nach Marokko ausfliegen. Dort ist es unter erschwerten Bedingungen möglich Zoll zu machen. Erschwerte Bedingungen heißt, dass wir alle zur Passkontrolle nach Jerez (LEJR) fahren müssen. Getankt wird aus Kanistern, was recht umständlich ist, da wir mehrmals Sprit an der circa 5 km entfernten Tankstelle holen müssen. Wir kennen Antonio den Platzbetreiber von LETJ aus der Zeit, als wir dort unseren Tragschrauber einige Monate stehen hatten. Ich rufe Antonio an. Als ich mit Englisch nicht mehr weiter komme, spricht Robert mit ihm – auf Spanisch. Zum Glück spricht Robert spanisch, dies erleichtert einiges. Wir erfahren, dass die Passkontrolle in Jerez erst übermorgen möglich ist, da am dortigen Flughafen morgen eine Sicherheitsübung stattfindet und sie keine Zeit für andere Dinge haben. Das macht uns in diesem Fall nichts aus. Der Levante bläst morgen noch mit vollen backen und lässt erst übermorgen in der Nacht nach. Wir beschließen den freien Tag, der heute ja nicht stattgefunden hat, morgen in Cordoba nachzuholen. Aus dem Hotelproblem in Granada habe ich gelernt und frage gleich an der Rezeption nach Zimmern für eine weitere Nacht. „Kein Problem, wir haben genügend frei“, ist die mich doch sehr aufmunternde Antwort.

Der Abend verläuft so, wie die Abende zuvor. Wir gehen Essen. Robert fragt an der Hotelrezeption nach einem guten Restaurant und bekommt den Weg zu einem „super spanischen In-Restaurant“ gezeigt. Wir traben los. Vorbei an gemütlich ausschauenden Restaurants geht es am Guadalquivir entlang zu unserem Geheimtipp. Dort lerne ich, dass nicht jeder unter einem „schönen spanischen Restaurant“ das Gleiche versteht. Roberts „Tippgeberin“ ist maximal 20 Jahre alt. Ich gehe davon aus, dass es ihr genauso geht, wie mir als ich in ihrem Alter war. In ein typisch deutsches Restaurant zu gehen war für mich die Höchststrafe. Wenn ich damals deutsch oder genauer gesagt schwäbisch essen wollte, dann ging ich zu meiner Mama aber bestimmt nicht in eine Gaststätte. So sind wir nun in einem In-Tempel der Jugend von Cordoba. Ein Teil der Gruppe verabschiedet sich. Sie möchten in ein Tapas-Restaurant gehen. Ich kann das verstehen. Wer sich auf  „Spanisch-Andalusisch“ gefreut hat, den versetzt  die hiesige Speisekarte nicht in Ekstase. Wir anderen, die bleiben, werden zwar tiefgekühlt, da die Klimaanlage auf „Arktis im Winter“ eingestellt ist, aber auch durch ein sehr leckeres Essen belohnt. Auf dem Rückweg treffen wir den Rest der Truppe – in einer Tapas-Bar. Wir setzen uns dazu und halten uns weniger an die Tapas, dafür mehr an die Bar. Ein kleiner Schlummertrunk, morgen können wir ja alle ausschlafen, rundet den Abend ab.

Im Hotel wartet eine Überraschung auf mich. Leider keine Angenehme. Die Mitarbeiterin, die mir vor 4 Stunden gesagt hat, dass es kein Problem ist, die Zimmer zu verlängern, teilt mir traurig blickend mit, dass sie sich um eine Woche vertan hat. Morgen ist das Hotel ausgebucht. Ich traue meinen Ohren nicht. Vielleicht sollte ich sie mal wieder putzen. Ich frage vorsichtig nach, ob ich das eben richtig verstanden habe. Leider liegt es nicht an meinen dreckigen Lauschern. Ich fange an, im Internet nach einem neuen Hotel zu suchen. Ich habe ein Déja vu. Wie Granada ist auch Cordoba für morgen komplett ausgebucht. Ich fasse es nicht. Fieberhaft suche ich nach Zimmer. Robert wird sauer, weil ich nicht schlafe und auch ihn vom Schlafen abhalte. Er meint, ich kann morgen früh noch suchen. Aber genau das kann ich nicht. Wenn ich nicht jetzt eine Lösung finde, dann kann ich die ganze Nacht sowieso nicht schlafen, also kann ich auch suchen. Etwas außerhalb der Stadt werde ich fündig. Die Bilder schauen schön aus. Aber selbst, wenn sie dies nicht täten, hätte ich keine andere Wahl. Den Rest der Nacht habe ich Albträume. Es war eine Zeit lang recht beliebt, den Überbringer schlechter Nachrichten zu töten. Ich träume von König David, dem Aztekenherrscher Montezuma und auch die alten Griechen spielen eine Rolle in meinen Träumen. All denen, sagt man nach, dass die Boten, die ihnen eine Nachricht übermittelt haben, nicht mehr lange lebten. Völlig gerädert wache ich am nächsten Tag auf.

Ich traue mich kaum, der Gruppe die Botschaft zu überbringen. Langsam müssen sich die Teilnehmer von mir echt verarscht fühlen. Ich fühle mich schon von mir selbst veräppelt. Robert und ich schleichen Richtung Frühstück. Ich setze mein fröhliches „wow ist hier alles toll“ Gesicht auf. Am liebsten würde ich heulen, was die Sache aber auch nicht besser macht. Meine Botschaft wird gefasst aufgenommen. Niemand tötet mich. Ich werde auch nicht beschimpft oder mit Tomaten beworfen. Das ist schon eine tolle Gruppe, die wir da haben. Keiner tobt, alle arrangieren sich mit der neuen Situation. Nach dem Frühstück organisieren Robert und ich alles für unseren nächsten Stopp in Trebujena. Vor allem die Zollformalitäten, die ja am Flughafen Jerez stattfinden müssen. Ich gehe noch einmal unsere Checkliste durch: Zoll geklärt, Hotel gebucht, Sprit organisiert, Bus organisiert. Alles erledigt!

Beruhigt starten wir nun unsere kleine Besichtigungstour durch Cordoba. Die aus einer Moschee hervorgegangene Mezquita-Kathedrale ist unglaublich beeindruckend. Witzig finde ich, wie sich hier das „Geistliche“ mit dem „Weltlich-Alltäglichen“ mischt. Die Jesusstatuen werden abgestaubt, neu arrangiert und ich glaube hie und da neu verschraubt und geklebt. Lampen werden ausgetauscht und verpackte Stauen herumgetragen und gefahren. Auch die geistliche Welt benötigt Pflege. Vom Glockenturm ist ganz Cordoba aus der Vogelperspektive zu sehen. Obwohl ich momentan fast jeden Tag diese Perspektive habe, bin ich beeindruckt. Auf der einen Seite die Altstadt, die fast wie eine marokkanische Medina wirkt, was nicht verwundert, da sowohl die Mauren als auch eine Berberdynastie bei der Stadtentwicklung mitgemischt haben. Auf der anderen Seite das neue Cordoba, das so ausschaut, wie die meisten neueren Stadtteile irgendwo in Europa.

Robert erzählt mir vom „Jamón Bellota Pata Negra“, dem Schinken der halbwild in den Eichelhainen lebenden schwarzfüßigen Iberico-Schweine. Eine absolute Delikatesse. Nachdem ich vor einiger Zeit, nach fast 20 Jahren Vegetarierleben, wieder zum Fleischfresser mutiert bin, stimme ich Roberts Vorschlag ein Restaurant zu suchen, das solch einen Schinken anbietet, sofort zu. Ich muss sagen, dieser vergeht auf der Zunge und ist jeden Cent seines doch recht stolzen Preises wert. So gestärkt machen wir uns auf zu unserem Landhotel. Nach einer Taxifahrt von 10 Minuten sind wir in einer anderen Welt. Weg von der vollen, quirligen und auch lauten Altstadt, inmitten von Ruhe und Natur. Dieses Hotel (http://www.hotelabetos.com/) ist der Gegensatz zu unserer gestrigen Unterkunft. Um die Swimmingpools zu nutzen ist es leider zu spät aber das Essen auf der großen Terrasse unter den Palmen und der Sternenhimmel entschädigen für den Umzug. Heute Nacht schlafe ich seit langem mal wieder richtig gut.

Fast alle fliegen nach Trebujena (Gruppe 1 besteht jetzt aus 3 CTs und einer Katana, Gruppe 2 hat 1 FK9, 1 C42, 1 Rans S6 und eine MD3Rider). Allerdings nicht auf dem direkten Weg, sondern über den Rio Tinto – den roten Fluss. Dieser schlängelt sich von Minas de Rio Tinto im bergigen Hinterland der Provinz Huelva bis zu der Stadt Huelva, wo er im Meer mündet. Der Name Rio Tinto verspricht nicht zu viel. Durch Eisenerz ist der Fluss rot – zumindest im Frühjahr, wenn er viel Wasser führt. Heute schaut er mehr „schmutzig-braun“ aus und hat stellenweise kaum Wasser. Ich bin enttäuscht, da ich ihn ganz anders kenne.

Ein Teilnehmer fliegt nach Hause. Er hat keine Lust mehr auf die ganzen Unwägbarkeiten und die Wartezeiten. Ich kenne ihn schon länger und weiß, dass es bei ihm immer „schnell, schnell“ gehen muss. Warten ist ein Graus für ihn. Er ist es gewohnt, dass alles so läuft, wie er es möchte. Wen ich ehrlich bin, dann bin ich erleichtert, dass er nicht mit nach Marokko kommt. In diesem afrikanischen Land, wo vieles, auch die Arbeitsgeschwindigkeit anders ist als in Europa, erwarte ich, dass wir für alles Zeit benötigen. Zeit, die er sich nicht nehmen will.

Obwohl sich der Rio Tinto nicht von seiner farbigen Seite zeigt, ist es ein schöner, zweistündiger Flug bis LETJ. Dort stehen 100 l Sprit in Kanistern für uns bereit. Auch unser Bus ist schon da. Die ersten tanken. Dann findet sich eine Gruppe Freiwilliger, die das weitere Tanken inklusive der Spritbeschaffung, mit Antonios Hilfe an der nächsten Tankstelle, übernehmen. Wir „Faulen“ lassen uns zu Manolos Venta Bar, einem typischen andalusischen Restaurant fahren. Ich rufe noch mal bei OPS in Jerez an, frage, ob mit unserem Flugplan alles passt, ob die Passkontrolle heute Nachmittag in Ordnung geht und ob die Guardia Civil, die morgen früh bei unserer Abreise nach LETJ kommt, informiert ist. Die freundliche und gut Englisch sprechende Dame fragt mich, ob wir nicht lieber nach Jerez fliegen möchten. Das wäre doch viel einfacher über Jerez auszufliegen als über Trebujena, Sie hat gehört, dass wir in Granada waren und wer dort landet, der kann auch bei ihnen landen. Bitte was?!? Inzwischen habe ich meine Ohren geputzt und bin mir sicher, richtig gehört zu haben. Trotzdem lehne ich dieses unwiderstehliche Angebot ab und versichere ihr, dass wir viel lieber ab Trebujena fliegen.

Nachdem unsere „Arbeiter“ zu uns gestoßen sind und alle gut gegessen haben, fahren wir mit unserem angemieteten Reisebus nach Jerez. Die Passkontrolle geht reibungslos und schnell. Robert und ich schauen noch mal kurz im Flugplanbüro vorbei. Auch da nur freudige Gesichter. Die Dame versichert uns, dass alles in Ordnung ist. Langsam fange ich an zu glauben, dass wir es morgen wirklich bis nach Fes schaffen. Die Reisegruppe „Marokko wir kommen“ fährt nun an das Meer. Bevor es über das Selbige geht, genieße ich es heute mit allen Sinnen. Reinspringen, planschen, mich von den Wellen treiben lassen und das warne Wasser spüren. Das macht Spaß und tut nach der ganzen Aufregung gut. Chipiona ist ein nettes Städtchen mit vielen Bodegas. Wein- und Tapas-Liebhaber kommen voll auf ihre Kosten.

Ich wache kurz bevor der Wecker klingelt auf. Mein erster Blick geht zu meinem Mobiltelefon. Keine SMS, kein Anruf. Ich atme durch. Dies bedeutet, dass die Marokkaner, denen unser Flugplan nun schon fast 24 Stunden vorliegt, diesen akzeptiert haben.

Unser Bus holt uns pünktlich um 8 Uhr vor dem Hotel ab. Wir fahren nach Trebujena. Die Stimmung ist ausgelassen, aber auch Anspannung ist zu spüren. Ich glaube, dass nicht nur ich mir die Frage stelle, ob heute alles wie geplant funktioniert. Am Flugplatz angekommen wartet schon die Guardia Civil auf uns. Die beiden Herren grüßen freundlich und schreiben die Kennungen der Maschinen auf. Dann schauen sie uns noch beim Abflug zu.

Wir rollen auf die Bahn und sortieren uns für unseren Formationsstart. Mein Pilot schiebt das Gas rein. Wir heben sanft ab. Afrika wir kommen!

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