KROATIEN 2012

Heike

Mit einer an mich gesendeten Mail und der Frage „Was hältst´n davon??? “ fing alles an. Die ursprüngliche Mail war von einem Bekannten von Robert der eine UL-Tour nach Unije, Kroatien organisiert hat und dafür noch Mitflieger suchte. Robert hat diese Mail mit den drei zusätzlichen Worten an mich weitergeleitet. Kurz durchgelesen und beschlossen, dass ich sehr viel davon halte, ein weiteres Wort „coooool“ hinzugefügt und zurück an Robert gemailt. Damit war ausgemacht, dass wir bei der Tour dabei sind.

Nun standen wir vor der ersten großen Herausforderung. Mit was fliegen wir nach Kroatien? Unser erster Gedanke war: Wir chartern uns die Breezer (Flächen UL) von Mike. Die Breezer fliegt ziemlich schnell, ist komfortabel hat eine Heizung und ziemlich viel Platz für alles was man für den Kurztrip so benötigt. Mike ist Flugschulinhaber und Flugplatzbetreiber, hält mich im tiefsten Inneren für total durchgeknallt hilft mir aber immer bei allem was das Fliegen betrifft. Schnell haben wir uns in sein Buchungssystem eingewählt und waren entsetzt. Da hatte es doch tatsächlich jemand gewagt vor uns eine Reservation einzugeben. Frechheit! Wer wagt es mit der Breezer zu fliegen ohne uns zu fragen… Nach kurzer Überlegung, ob unsere rhetorischen Fähigkeiten ausreichen den „Mitbewerber“ davon zu überzeugen, dass er uns die Maschine überlässt, kommt uns der zweite und eigentlich sehr naheliegende Gedanke. Wenn es darum geht im Sinne von „mein Haus, mein Auto, mein Boot“ aufzutrumpfen sind wir ganz vorne mit dabei. Bei Robert und mir fällt zwar das Haus und das Boot weg dafür können wir mit Bildern von unseren Fluggeräten punkten. Folglich ist unser nächster Gedanke: Wir nehmen eines unserer eigenen Fluggeräte! Nun ist es wie beim 50:50 Joker. Es gibt nur noch zwei Möglichkeiten. Roberts Schnuffi oder mein Baby? Anders ausgedrückt: Savannah oder MTO-Sport? Coupé oder Cabrio? Flügel oder Rotor?

Zu meiner großen Überraschung lässt sich Robert ohne Diskussionen auf mein Baby ein. Ein Flächenflieger der noch bis vor kurzem über Tragschrauber gelästert und nichts Gutes daran gelassen hat will freiwillig mit dem Gyro über die Alpen nach Kroatien und ist mir dabei komplett ausgeliefert (Robert hat keine Tragschrauberlizenz)! Ich fasse es nicht! Vor Staunen fällt mir das Essen das ich gerade in den Mund geschoben habe wieder auf den Teller. Es gibt noch Wunder auf dieser Welt!

Diese Wunder bedeutet aber auch das „Aus“ für unser Rundum Sorglos Flugpaket. Die anderen Teilnehmer der Reise fliegen Maschinen bei denen die Stallspeed nur knapp unter unserer maximalen Reisegeschwindigkeit liegt. Aber egal. Das macht die Sache viel spannender denn nun fliegen wir alleine und treffen erst in Unije auf die Gruppe. Wir haben ja immerhin noch einen Tag Zeit zum organisieren.

Robert

Es ist Freitag, der 7. September 2012. Eines der letzten warmen Wochenenden ist angesagt, als ich mich frühmorgens am Flugplatz Peiting wie zu einem Mount Everest Aufstieg vom Basislager zum Gipfel in Unmengen von dicken Jacken und Overalls zwänge. Wozu das Ganze? Um mich auf den Rücksitz eines Gyrokopters zu schnallen und den unheimlichen Plan umzusetzen, mit diesem Ding über die Alpen zu schnurren.

Es sei erwähnt, dass ich als eingefleischter Flächenflieger die Meinung vertrete, ein Gyro eigne sich bestenfalls für eine Umrundung des örtlichen Kirchturmes aber keinesfalls für eine Alpenüberquerung. Dies hat wohl auch der zuständige Fliugplankoordinator der DFS (Deutschen Flugsicherung) so gesehen. Als wir unseren Flugplan nach Kroatien online abgeschickt hatten, hat es keine fünf Minuten gedauert bis das Telefon klingelte. Der Controller kannte den Flugzeugtyp nicht benötigte diesen aber um den Flugplan zu bearbeiten. Nachdem ich ihn aufgeklärt hatte kam nur ein entsetztes „jedem das Seine“ aus dem Hörer.

Heike, die wagemutige Pilotin, ist im glücklichen Besitz einer Heizjacke. Ihre kleine Handtasche findet im „Handschuhfach“ Platz. Der Gepäckraum ist äußerst knapp bemessen. Mein Rucksack kommt nur mit an Bord, weil die zierlich gebaute Heike diesen als Rückenlehne verwenden kann.

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Heike

In Peiting werden wir von Mike erwartet dem ich am Vortag von unserem Vorhaben erzählt habe. – Tragschrauber checken, Gepäck einladen und Abflug. –  So habe ich mir das zumindest vorgestellt. Mit dem checken liegen wir auch noch voll in der Zeit. Die „Reisebekleidung“ ist auch zügig angezogen, … aber dann … der Gepäckberg neben dem Tragschrauber wird, auch nachdem wir schon mehr anhatten als eigentlich vorgesehen, nicht kleiner. Wir müssen feststellen, dass ein MTO-Sport kein Cargoflieger ist. Nun ist es Zeit für ein Spiel. Das Spiel heißt „Gepäckpocker“. Jedes einzelne Stück wird hochgehalten und dann entschieden ob es mit darf oder nicht. Ich bin die große Verliererin.  „Zwei Paar Schuhe kannst vergessen. Die, die Du anhast reichen.“ „Wie viel Pullis willst denn noch mitnehmen?“ So geht es weiter bis der Gepäckberg soweit geschrumpft ist, dass wir ihn im und um den Tragschrauber unterbringen können und das Ganze auch noch innerhalb des Gewichtlimits.

 Robert

Und nun ist es soweit. Ich werde auf meinem Rücksitz vorbei an dem sympathischen Platzbetreiber Mike auf die Piste gerollt. Wie ein südamerikanischer Busfahrer, der kurz vorm Überholvorgang im Nebel noch seine Fingerspitzen küsst und diesen Kuss mit einem gläubigen “Por Dios“ gen Himmel wirft, verabschiede ich mich von ihm. Sein Blick lässt gemischte Gefühle erahnen, neidisch, bewundernd, ungläubig. Zweifelnd, ob Heike und ich dieses Vorhaben wirklich durchziehen werden.

Heike

Vorrotation, Knüppel ziehen, Bremse los, Vollgas … Kroatien wir kommen!

Der erste Teil der Route ist über den Tegernsee nach Zell am See geplant. Ich gehe nach dem Start auf Kurs Richtung Tegernsee. Da habe ich auch schon Mike über Funk in den Ohren „wo liegt denn bei Dir der Tegernsee? Bist Du sicher, dass Du nach Kroatien findest?“ Nahezu zeitgleich kommt es auch hinter mir zu völlig unnötigen Kommentaren. Mike hat vom Boden aus leicht reden. Er ist ja außerhalb meines Gefahrenbereichs. Aber nicht mein „Hintermann“. Was habe ich in Griffweite, um es nach hinten zu werfen? Außer meinem Rucksackpolster leider nichts. Mist. Nun müssen meine giftigen Worte ausreichen. Aber warum eigentlich aufregen? Ich mache mir jetzt einfach ein schönes Leben auf der Tour. Soll doch Robert die Navigation übernehmen und den Funk gleich mit dazu. Ab sofort fliege ich mit Navigator und Funker. Ich bin Kapitän und alles andere ist nun Robert´s Job. Das hat er davon!

Robert

Gleich nach dem Start hör ich Mike im Funk, dass unser erster Waypoint Tegernsee etwas weiter rechts liegen würde.  Heikes Argument „Ich fliege aber immer so zum Tegernsee“ lässt mich auf meinem Passagiersitz aufhorchen und sofort beginne ich meine Arbeit als Navigator aufzunehmen. Ausgerüstet bin ich wie ein Waffensystemoffizier im Kampfjet. Links am Knie klebt das Ipad mit dem Flugnavigationsprogramm, rechts am Oberschenkel die Kartentasche. Zusätzlich baumelt eine schwere Spiegelreflexkamera um meinen Hals. Die Gelegenheit, offen dahinzufliegen und nach rechts und links ohne Scheibe uneingeschränkt fotografieren zu können zählt definitiv zu den großen Vorteilen dieses Fliwatüts. Dafür nehme ich gerne ein maues Gefühl um die Magengegend in Kauf. Zugegeben, die erste halbe Stunde brauche ich, um mich hier einigermaßen wohl zu fühlen. Nicht mal durch meine weitere Funktion, meinem Job als Funker kann ich mich ablenken, da es bis kurz vor unserem ersten Etappenziel nichts zu funken gibt.

Heike

Über die Benediktenwand, Guffert und Wilden Kaiser vorbei geht es Richtung Zell am See. Soviel zur Navigation Richtung Tegernsee. Den Tegernsee bekomme ich auf der ganzen Tour nicht zu Sehen. Ich beschließe aber nichts zu sagen, da die Landschaft schon auf dem ersten „leg“ nach Zell am See so beeindruckend ist, dass ich nur noch mit fliegen, schauen und genießen beschäftigt bin. Glück für Robert.

Robert

Ich habe mich nicht vernavigiert sondern einfach eine Abkürzung genommen. Ehrfürchtig knattern wir zwischen Guffert und Unütz hindurch, lassen den Achensee rechts an uns vorbeiziehen, queren das mächtige Inntal hinüber zu der beeindruckenden Hangbewölkung am Wilden Kaiser. Die bizarren Wege an den Flanken des Lofer Gebirge erinnern an Zorro´s Degenstreiche. Inzwischen ist jegliches mulmiges Gefühl weg. Im wahrsten Sinne des Wortes „verflogen“.

Nun sind wir schon kurz vor Zell und hüpfen mit unserem Fliwatü über den dortigen See. Nun kommen endlich meine Fähigkeiten als Funker zum Einsatz. Da sich unser Abflug doch erheblich verzögert hat sind wir hinter unserem Plan. Hinter unserem Flugplan, den wir gestern aufgegeben haben. Ich melde mich bei der FIS Wien, die nun dafür zuständig ist und teile dem Lotsen mit, dass wir die angegebene Startzeit in Zell am See nicht einhalten können, da wir dort noch nicht einmal gelandet sind. Beim Fliegen mit Flugplan komme ich mir immer vor wie ein Großer. „Ground Control to Major Robert“ … David Bowie lässt grüßen.

Heike

Nach einem Tank- Essens- und Zollstopp in Zell beschließen wir uns unsere ursprünglich geplante Route am Großglockner vorbei lieber etwas abzuändern, um genügend Zeit zu haben, um Höhe zu gewinnen. Bei den knapp 30 °C am Flugplatz eine gute Entscheidung, wie wir von der Restaurantterrasse gut beobachten können. Ein „Tragschrauberkollege“ der auf dem Weg nach Bulgarien ist versucht verzweifelt Höhe zu gewinnen um über den Großglockner zu kommen. Für uns ist es nett anzuschauen wir er einen Kreis nach dem anderen zieht, auf der Suche nach Thermik, die ihn beim Steigen unterstützt.

Wir beschließen aber dass wir lieber im Tal entlang Richtung Mauterndorf fliegen und so genügend Zeit haben langsam auf unsere Reiseflughöhe zu kommen. Über den Katschberg und den Millstätter See geht es weiter Richtung Italien und Slowenien. Ich bin zum ersten Mal mit einem Fluggerät, das kleiner ist als ein CRJ der Lufthansa über den Alpen. Das Gefühl offen über den Gipfeln zu schweben ist unbeschreiblich. Langsam, aber stetig, steigen wir. Da ich die maximale Flughöhe eines MTO vorher noch nicht ausprobiert habe, vertraute ich einfach auf die 10.000 Fuß die im Handbuch angegeben sind. Diese knacken wir locker.

Hier oben werden alle sonstigen „Probleme“ zur Nebensache. Ich bin einfach nur glücklich diese wunderschöne Natur in all ihrer Mächtigkeit aus der Vogelperspektive zu erleben.

Robert

Auf knapp 10.000 Fuß angekommen ist es irre kalt auf dem Waffenoffizierssitz. Meine tropfende  Nase haut mir die Linse der Kamera voll. Der Ausblick jedoch von hier oben ist enorm. Gewaltig, faszinierend, wild, fesselnd … mir fehlen die Worte. Das Großglocknermassiv ist immer noch gut zu erkennen, die Nordflanke des Katschberg imponiert mächtig. Steil aufragend und danach einfach nur ein kompakter Klopfer an Fels. Das Wetter ist so einmalig, dass man Luftsprünge machen könnte. In gewissem Sinne machen wir das ja auch. Gerne würde ich oben auf einem der Hochebenen zwischenlanden oder einen Touchdown vollziehen, so freundlich und einladend sieht alles aus. Goldeck vor uns, Mittersill unter uns, Drautal rechts und hinten stehen die Flanken der Karawanken. Ich weiß nicht wo ich zuerst hin schauen und Bilder machen soll.

Da werden meine Gedanken kurz von meiner Funkertätigkeit unterbrochen. Wien reicht uns weiter an Lublijana. „Lublijana“ Information D-MHMN good day“ melde ich mich, werde sogleich freundlich begrüßt und erhalte die Genehmigung für den Überflug über den Triglav Nationalpark. Ein Traum!

Bovec und das Socatal liegen unter uns. Ich komme mit dem fotografieren gar nicht mehr nach und reagiere fast ungehalten, als Heike von mir verlangt kurz den Steuerknüpel, den es in dem Tragschrauber auch auf dem hinteren Sitz gibt zu übernehmen. Sie will am Transponder den uns zugeteilten Code einstellen, was im Gyro bedeutet: Handschuhe ausziehen und Handschuhe festhalten, da alles was nicht fest ist sich aus dem Tragschrauber verabschiedet. Dies ist für mich sehr Gewöhnungsbedürftig. In meiner Savannah lege ich die Karte, die Sonnenbrille, den Stift oder was auch immer ich gerade in der Hand habe einfach neben mich. Bei diesem Cabrioflieger macht es „ziiischschsch“ und weg ist es.

Links von uns liegt nun Tolmin, wo ich im Frühjahr noch mit dem Gleitschirm die bekannte Kobala-Stol-Gemona Tour abgeritten bin. Schon habe ich auch einen Schirm im Blick. Die Thermik, der Freund der Gleitschirmflieger, lässt unseren Möchtegern – Hubschrauber kalt. Dies ist auch gut so, da wir langsam Höhe abbauen wollen. Das Meer ist schon fast in Sicht.

 Heike

Weiter geht es Richtung Küste als mein Waffenoffizier den vorsichtigen Vorschlag macht ob wir nicht in Bovec landen können. Auf meine fürsorgliche Frage „ Warum, musst aufs Klo?“ kommt mit zittriger Stimme „Nein, ich bin eingefroren“. Mein erster Gedanke ist „verweichlichter Flächenflieger“. Mir ist kuschelig warm, habe sogar den Heizregler meiner Jacke gerade etwas zurück gedreht um nicht zu schwitzen. Robert ist zwar angezogen wie zur Polarexpedition aber irgendwann wird es auf 10.800 Fuß ohne zusätzliche Wärme trotzdem sehr kalt. Heizbekleidung gehört nicht zur Grundausstattung eines sonst nur geschlossen fliegenden. Also nehme ich, nach Abwägung des Ärgers den ich wohl bekomme wenn Robert hinter mir erfriert, Kurs auf Bovec. Je tiefer wir sinken desto wärmer wird es und kurz vor Bovec ist Robert wieder soweit aufgetaut, dass wir beschließen doch nicht zu landen, sondern weiter auf direkten Kurs Richtung Küste zu gehen. 30 Minuten später ist plötzlich das Meer vor uns. Wahnsinn!

Auf der uns zugeteilten Flughöhe von 1000 Fuß geht es an der Küste entlang Richtung Trieste. Gerade noch auf 10.800 Fuß halb erfroren und jetzt auf 1000 Fuß direkt am Meer und dies alles innerhalb von 1,5 Stunden. Welch Unterschiede! An der unbeschreiblich schönen kroatischen Küste geht es über Portoroz und Rovinj nach Pula.

Robert

Schließlich ist unser Zollflughafen Pula in Sicht. Ich funke mit dem Tower und erhalte die Anweisung „direct in short final“ zu gehen. Der Tower hat wohl die Wendigkeit eines Tragschraubers unterschätzt und Heike ist schon kurz vor der Bahn als plötzlich eine andere Maschine aufgetaucht ist und die Anweisung kommt „make left 360° (einmal links komplett im Kreis herum fliegen)“. Da ist sie bei Heike, die Reaktion eines Gyrofliegers. Ein Tragschrauber kann extrem langsam fliegen und bei entsprechendem Wind fast in der Luft hovern wie ein Hubschrauber. Heike verzögert also links von der Anfluglinie mit konstantem Blick direkt auf die anfliegende Maschine als die Stimme im Funk immer hektischer wird. „360° make 360°“. Ich überzeuge Heike davon dass dies gerade nicht der Moment ist eine Grundsatzdiskussion über die Fähigkeiten eines Tragschraubers zu führen und sie einen 360 fliegen soll. Die Stimme des Lotsen entspannt sich merklich.

Heike

Nach der Landung ist Tanken und Zoll angesagt. Das Tanken stellt für den Tankwagenfahrer eine Herausforderung dar, denn die Tanköffnung unseres Gyros und seine Zapfpistole sind nicht kompatibel miteinander. Eine Lösung ist schnell gefunden. Ein kurzer Anruf und ein Mitarbeiter des Flughafenrestaurants bringt einen Trichter vorbei. Ich weiß nicht, ob dieser hinterher wieder den Weg zurück in die Küche gefunden hat.

Wir sind in Pula, wie auch auf allen anderen Plätzen, freundlich und staunend empfangen worden. Überall große Augen „dass so etwas fliegt“ und die Frage, ob wir den Tragschrauber selbst gebastelt haben. Ein Tragschrauber ist hier nicht alltäglich. Grundsätzlich wird Robert für den Pilot gehalten und nachdem das Missverständnis aufgeklärt ist, sieht man nur noch blankes Entsetzen in den Augen der kroatischen Männer. Zu beruhigen sind die Herren nur dadurch, dass Robert ihnen erklärt, dass auch er fliegen kann. Mein trotziger Einwand „aber keinen Tragschrauber“ wird dabei überhört.

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Robert

Wieder gebe ich einen Flugplan auf, für die letzten 30 Kilometer übers Meer zu unserem heutigen Tagesziel, der kleinen Insel Unije. Es fühlt sich klasse an so über das Meer zu schweben. Die Sonne steht schon tief und lässt einen sentimental werden. Bald kommt die Insel in Sicht. Wir landen mit geringem Seitenwind. Erschöpft, müde und glücklich. Flugplatzleiter Drago empfängt uns freundlich. Etwa zehn Maschinen stehen am Platz. Fünf davon gehören zu der von Klaus organisierten Flugreise. Wir haben es geschafft. Wir sind bei der Gruppe angekommen.

Heike

Schnell das Gepäck aus dem Tragschrauber in die Unterkunft bringen. Roberts Rucksack, der zu meinem Rückenpolster umfunktioniert wurde, ist mir richtig ans Herz gewachsen. Vielleicht sollte ich Autogyro den Tipp geben sich Gedanken über einen Rucksacksitz zu machen.

Jetzt ganz schnell die „Strandkleidung“ inklusive Flip Flops anziehen. Mein kleiner Triumph am Abend! Ich habe es geschafft, doch zwei Paar Schuhe mitzunehmen. Wir planschen ausgiebig im Meer und sind glücklich darüber wie gut wir es haben. Der Abend bei gutem Essen und Trinken vergeht wie im Fluge. Bei den „Gruppenreisenden“ ist nicht ganz klarob in ihren Augen Bewunderung oder blankes Entsetzen zu sehen ist über uns „Luftquirllflieger“.

Robert

Am nächsten Tag beschließen wir einen Ausflug nach Zadar zu machen. Ausflug wörtlich genommen. Die Gruppe bleibt auf der Insel und relaxt, Heike und ich treffen uns mit Freunden, die zur selben Zeit mit dem Boot an der Küste bei Zadar unterwegs sind. Ich will mir auf keine Fall die Chance einer Sightseeingtour über die malerischen kornatischen Inselgruppen entgehen lassen. Wir kommen aus dem Staunen nicht raus, es ist einfach wunderbar, so tief in dieses kristallklare Wasser sehen zu können. Viele Meter blicken wir auf die Unterwasserwelt hinunter und erkennen die Plattenarbeit der Jahrtausende. Fischschwärme tummeln sich in der klaren Adria.

Am liebsten würde ich hier ewig die Küste abfliegen. Einen kleinen Wehrmutstropfen gibt es allerdings: wir dürfen nicht zu der weiter draußen gelegenen, famosen Steilküste von Dugi Otok fliegen, da diese Insel in einer aktiven Militärzone liegt. Vielleicht geht es ja auf dem Rückflug.

 Heike

Der Flug nach Zadar ist wunderschön. In Zadar treffen wir wieder auf großes Staunen über unser Fluggerät. Wir werden sogar einem Ramp Check durch das kroatische Luftamt unterzogen. Der erste Tragschrauber, den die Herrschaften jemals gesehen haben. Ich glaube ich hätte als Lizenz alles vorzeigen können. Fitnessclubmitgliedskarte, Rabattkarte vom Supermarkt oder die Lufthansa Miles and More Karte. Einzig und allein die Frage, wie man mit so etwas über die Alpen fliegen kann ist für die Prüfer wichtig.

Robert

Sowohl Heike als auch ich haben Freunde die gerade in Zadar sind. Sie kennen sich nicht, ich kenne Heikes Freunde nicht und sie meine nicht. Aber wir lernen uns alle kennen. Wir treffen uns alle zusammen bei Tanja, einer ebenfalls ziemlich durchgeknallten UL-Pilotin auf ihrem Schiff. Der Tag vergeht rasend schnell und so kommt dass wir plötzlich vom Sunset überrascht werden. An einen Rückflug nach Unije ist nicht zu denken. Heike und ich bleiben einfach die Nacht auf dem Schiff und genießen den Abend mit Freunden und gutem Essen.

Sonntag früh, nun sollten wir uns sputen. Wir müssen heute wieder heim fliegen. Allerdings ist dies nicht auf direktem Weg möglich, da wir unser Gepäck ja noch auf Unije haben. Wir wollten gestern ja nur einen Tagesausflug machen. Ich gebe wieder einen Flugplan auf, Heike schließt Bekanntschaft mit ihrem „Gegenstück“. Einem nahezu doppelt so großen Piloten eines Slowakischen Privatjets.

Heike

Nach einem kurzen Stopp auf Unije wo wir „geschwind“ unser Gepäck in den Tragschrauber packen und noch kurz etwas essen geht es weiter an der kroatischen Küste entlang bis nach Labin, von dort über das Hinterland Richtung Portoroz und dann 45 km über das offene Meer nach Bibione. Zugegeben, hier schicke ich kurz ein Stoßgebet an den „heiligen Sankt Rotax“, dass er doch bitte freundlich zu uns sei, er von mir immer beste Wartung und leckeres Öl bekommt und jetzt einfach wie ein Kätzchen über das Meer schnurren soll. Er hat mich nicht enttäuscht! An dem wilden Flussbett des  Tagliamento, der eine optimale „Spielwiese“ darstellt fliegen wir nach Al Casale zum Tankstopp.

Robert

Es macht großen Spaß, tief über das klare Wasser schwebend der Küstenlinie zu folgen. Immer wieder entdecken wir traumhafte Buchten und kleine Leuchtturminseln.

Istrien kreuzen wir von Ost nach West und biegen kurz vor Slowenien ab Richtung Italien. Ja richtig, wir brechen so einfach 40 Kilometer übers Meer auf, ohne am Anfang das andere Ufer zu erkennen. Ein spannendes Bauchkribbeln kündigt sich an. Ich rechne alles noch mal gut nach: Sprit, Wind, Distanz, Zeit. Der Verstand sagt dass alles okay ist, trotzdem ist mir mulmig zumute. Was machen wir, wenn das andere Ufer nicht auftauchen mag? Wir entdecken unter uns eine lange Wasserstrasse von der Isola di Sant Andrea die ins Hinterland führt, die friedlich dahin dümpelnden Segelboote erinnern an eine Ameisenstrasse.

Nach der Landung in Al Casale werden wir freundlich empfangen. Auch Sandro, der heitere Flugplatzbetreiber inklusive Hotel und Restaurant, staunt nicht schlecht als Heike aus dem Pilotensitz klettert. Er lädt uns spontan auf eine Gourmetreise durch seine italienische Küche ein, aber da die Zeit knapp ist, starten wir gleich wieder.

Nach weiteren ausgiebigen Turnübungen direkt über dem Bachbett des Fiume Tagliamento brauchen wir den vollen Schub des Gyromotors um den abendlichen Alpenüberstieg zu meistern. Bei 6000 Fuß stellen wir dann resigniert fest, dass wir keinen Meter steigen mehr zustande bringen, nichts geht. Ich stimme Heikes Vorschlag umzukehren spontan zu. Wir folgen unserem Bauchgefühl, was sich beim Fliegen schon mehrfach bewährt hat. Dann kommen wir halt einen Tag später zu Hause an.

Die schlechte Steigleistung schreibe ich den hohen Temperaturen zu. Am Boden hatte es um 18:00 immerhin noch 31°.

Auch sind wir nach drei extrem eindrucksvollen Tagen und langen erzählungsreichen Nächten an unserer Leistungsgrenze angekommen. Tja, dann freuen wir uns eben auf ein leckeres Essen. Zurück bei Sandro bekommt unser Gyro einen schönen Hangarplatz. Ein weiterer Vorteil des Drehflüglers ist, seine Platz sparende Aufbewahrung. Wir genießen die herzhafte italienische Küche und fallen erschöpft ins Bett.

Heike

Mein Baby wird mit „Superpotente“ dem italienischen Wundermittel zum Reinigen von Küchen, Motorrädern, Hemdenkrägen … und Tragschraubern von Robert und Sandro persönlich gepflegt. So gestrahlt hat die HMN noch nie.

Robert

Am Montag stehen wir um sieben am Start. Das Morgenrot leuchtet die Restbewölkung in Pastellfarben aus, ein traumhaftes Bild bietet sich uns. Jetzt geht es problemlos hoch hinauf, nach zwanzig Minuten erreichen wir 8000 Fuß. Ich beginne zu frieren wie ein Schneider. Dieses störende Gefühl muss aber der imposanten Berglandschaft weichen, die uns vollkommen gefangen nimmt. Andächtig erklimmen wir die Dolomiten. Ich wähle nicht die kürzeste, aber die eindrucksvollste Route. Marmolada, Sellastock, Langkofel, Schlern und Seiseralm. Die Morgensonne berührt die Ostflanken der Bergmassive und verzaubert das Bild mit Licht- und Schattenspielen. Ich würde am liebsten mit den Rotorblättern an den Felsen kratzen …

Wir müssen leider die imposanten Dolomiten hinter uns lassen, um über den Jaufenpass, das Timmelsjoch  und die Stubaier Alpen zurück nach Peiting zu gelangen.

Heike

Roberts Spritberechnungen in allen Ehren aber ich bin mir nicht so ganz sicher ob er den Hunger meines Babys richtig einschätzt. Nach meinen Berechnungen haben wir in spätestens 10 Minuten nichts mehr im Tank. Ich bestehe auf eine Landung in Reuthe. Bestehen muss ich eigentlich auf gar nichts. Ich fliege einfach dort hin. Da der Flugplatz am Montag geschlossen ist, ich mich aber weigere noch weiter zu fliegen machen wir eine Sicherheitsaußenlandung auf dem Platz. Von den Bewohnern des neben dem Platz gelegenen Campingplatzes bekommen wir ein Fahrrad und einen Benzinkanister geliehen. Während Robert zur Tankstelle fährt lege ich mich in die Sonne und döse. Robert weckt mich kurz darauf auf das Angenehmste. Mit frischem Kaffee und frischen Brötchen. Nun steht unseren letzten 25 Flugminuten nichts mehr im Wege.

Heike & Robert

Wieder daheim, legen wir uns erstmal am Flugplatz auf die Wiese und lassen die warmen Sonnenstrahlen langsam in unsere kalten Knochen dringen.

Grandiose Eindrücke drehen noch lange luftige Pirouetten in unseren Köpfen, und wir sind uns einig, dass dies nicht unsere letzte Flugreise war.