Robert möchte gerne den Stromboli, den aktiven Vulkan auf der gleichnamigen, nördlich vor Sizilien liegenden Insel umrunden. Zwischen uns und dem Vulkan liegen Berge und Wolken und Regen. Mir, die heute wieder fliegt, ist dies zu heiß. Ich drehe nördlich vom Ätna ab und umrunde diesen bis zum südlichen Ende der Straße von Messina. Der Ätna ist auch ein Vulkan und spukt ebenfalls ab und zu vor sich hin. Robert soll sich nicht so haben. Vulkan ist Vulkan. Er protestiert auch gar nicht. Wir werden ordentlich durchgeschüttelt und sehen vor uns Regen. Der Entschluss steht schnell fest. Ich lande in Calabiano, dem Campo di volo wo wir eigentlich schon vorgestern hin wollten.
Giovanni nimmt uns in Empfang und zeigt die beste Route nach Castel del Monte unserem nächsten Tankstopp nahe Bari. Er sagt uns, dass wir uns gleich nach dem Start bei Reggio Calabria Tower melden sollen und ihnen sagen dass wir die Straße von Messina auf 7000 Fuß durchqueren wollen. Er meint alles was niedriger ist wird ruppig und gleich im Osten bis zu unserem Zielflugplatz zu fliegen – was wir eigentlich vorhatten – macht bei diesem Wind überhaupt keinen Spaß. Wir merken uns das. Der Mann ist von hier er kennt sich mit den lokalen Windsystemen aus. Den Regen sitzen wir bei einem zweiten Frühstück in dem des Flugplatzes angeschlossenem Agritourismo aus.
Ich fühle mich nicht so fit und bitte Robert, dass er ein Weilchen fliegt. Nachdem er uns in die Luft gebracht hat melde ich mich bei Reggio Calabria und bekomme die 7000 Fuß sofort genehmigt. Auch in dieser Höhe muss ich die Gurte noch ganz fest ziehen um nicht mit dem Kopf am Flugzeugdach anzustoßen, so heftig sind die Turbulenzen. Ich frage ob wir auf 9000 Fuß steigen können und bin froh dass Robert fliegt. Auch die 9000 werden genehmigt und es wird ruhig. Der Flug wird zum Genuss. Wir sind über den Wolken, die immer mehr auflockern. Ich schaue runter auf´s Meer. 9000 Fuß über dem Meeresspiegel komme ich mir vor wie im Airliner.
Nun geht es bei Scala in die Berge. Wir kreuzen Italien von West nach Ost. Robert hält die Höhe da es hier schön ruhig ist. Wir fliegen mit Funkkontakt zu Brindisi information und werden bis zur Landung in Castel del Monte bestens betreut. Die Landung ist spannend. Die Landebahn liegt zwischen Baumreihen und hat „Berge und Täler“. Nachdem wir die CT abgestellt haben erweisen sich die Bäume als sehr nützlich. Sowohl Robert als auch ich spüren den Kaffee den wir in Calatabiano getrunken haben – ich verschwinde hinter den linken und Robert hinter den rechten Bäumen. Erleichtert gehen wir zum Agritourismo. Dort wird gerade ein großer Kindergeburtstag vorbereitet und die Besitzerin fragt ob es reicht, wenn wir in ca. 1 Stunde den Sprit bekommen. Natürlich reicht uns das. Wir wollen sowieso zuerst zu Mittag essen. Nach der sechsten Speise, die uns der Kellner, der ausschaut wie der Diener aus dem Film „Im Namen der Rose“, bringt habe ich aufgehört zu zählen. Im Namen der Rose wurde übrigens direkt nebenan im „Castel del Monte“ gedreht.
Ich glaube, dass unser Kellner nach Drehschluss einfach da geblieben ist. Er lässt keine Widerrede gelten. Auch das Argument dass ich gleich Platze zählt nicht. Er besteht darauf dass alles gegessen wird.
Und er holt sich noch Verstärkung. Eine blonde Kellnerin, die ebenfalls aus dem Film stammen könnte, bewaffnet sich mit Alufolie. Was nicht aufgegessen wird, wird eingepackt und wir müssen es mitnehmen.
Vollgefressen schleppen wir uns zu unserer CT. Inzwischen ist der Sprit gekommen und Robert startet ein neues Kapitel der Serie „Tanken ohne Leiter“. Diesmal mit Hilfe von Gemüsekisten.
Nachdem sowohl wir als auch die CT gegessen haben setzen wir die Reise fort. Der Wind wird schwächer, so dass wir ganz gut voran kommen. Ich habe keine Lust mehr große Umwege wegen Kontrollzonen oder der Arbeit meines Fotografen zu fliegen. Ich möchte vor Sunset in Al Casale sein. Also funke ich mit jedem Flughafen zwischen Bari und Venedig und wir können überall auf der von uns gewünschten Höhe durch die Kontrollzonen fliegen. Mit Sunset setzen wir in Al Casale auf. Wir waren heute 7 Stunden und 30 Minuten in der Luft. Jetzt will ich nur noch ins Bett.
Sandro der uns in Empfang nimmt hat dafür Verständnis. Nach dem Landebier für Robert und dem Landeprosecco für mich, den aber auch Robert trinkt, falle ich ins Bett.
Beim Frühstück sehe ich eine Frau im Rollstuhl. Ich grüße freundlich und gehe weiter. Sie sagt etwas auf italienisch zu mir und ich drehe mich nochmal um. Dann erkenne ich sie. Es ist Nadia. Nadia, die zusammen mit Sandro die Besitzerin von Al Casale ist, sitzt im Rollstuhl und ich habe sie fast nicht erkannt. Sie hatte im Oktober einen Schlaganfall und war ein halbes Jahr im Krankenhaus und auf Reha. Seit vorgestern ist sie wieder zu Hause. Im Kopf ist sie völlig klar, hat mich sofort erkannt, kann aber ihren linken Arm und ihr linkes Bein nicht mehr bewegen. Es macht mich traurig sie so zu sehen. Sandro meint: „Das ist das Leben, wir müssen es so akzeptieren“. Er hat recht aber manchmal ist es schwer dies zu tun. Ich hoffe, dass sich zumindest das Bein von Nadia soweit regeneriert, dass sie wieder gehen kann.
Das Wetter in Al Casale ist sonnig und windig. In den Alpen hat es Nordstau, die Gaforrouten sind „closed“ und der Patscherkofel bei Innsbruck meldet 30 Knoten Wind mit Böen bis zu 60 Knoten. An einen Alpenüberflug ist nicht zu denken. Sandro schiebt die Maschinen in einem seiner Hangars zusammen, so dass die CT darin Platz hat. Bevor sie hier Urlaub machen darf bekommt sie noch ein „Vollbad“. Robert und ich putzen sie bis sie wieder strahlt. Dann darf sie in den Hangar und wir fahren mit dem Zug nach Venedig.
Unser vorerst letztes leg geht mit Air Dolomiti nach München. Der Überflug der Alpen im Airliner zeigt uns, dass dies die absolut richtige Entscheidung war.
Nächste Woche ist mit dem 1.Maifeiertag ein langes Wochenende. Für das Wochenende ist bestes Wetter angesagt. Wenn dies so bleibt dann fliegen wir die CT am 1. Mai wieder heim nach Mühldorf. Solange darf sie sich mit der flotten italienischen Pioneer, dem rassigen R22 und dem sexy R44 in Hangar vergnügen.